Ein Jahr ADFC-Radverkehrszähler - Erkenntnisse aus Leinfelden-Echterdingen
Im Herbst 2022 konnten wir unseren Radverkehrszähler im Hainbuchenweg in Echterdingen einem ersten Test unterziehen. Das Gerät war seither an 14 Standorten im Stadtgebiet Leinfelden-Echterdingen im Dauereinsatz - Zeit für einige Analysen.
Die Firma Advantest Europe GmbH hat der Ortsgruppe auf den Fildern im Herbst 2022 einen mobilen Radverkehrszähler gesponsert. Dank dieser Spende können wir die Radverkehrsströme besser verstehen und Politik und Verwaltung mit verlässlichen Informationen darüber unterstützen, wo sich Radfahrende bewegen - eine zentrale Grundlage, um die Radinfrastruktur auf den Bedarf auszurichten.
Wir haben bis heute an 14 Standorten in Leinfelden-Echterdingen gezählt (interaktive Karte). Die Verkehrszählungen an den einzelnen Standorten liefen jeweils über einen Zeitraum von zwei bis vier Wochen. Mit Hilfe der Zählungen konnten wir unser Bild der Radverkehrsströme in Leinfelden-Echterdingen sowie der Verbindungen nach Stuttgart vervollständigen und mit Fakten untermauern.
Detaillierte Informationen zu allen Messungen sowie zur Technik des Zählers und zur Methodik der Berechnungen sind in einem Dossier zusammengefasst. Hier sind die wichtigsten Erkenntnisse nach etwa einem Jahr:
Leinfelden-Echterdingen fährt Rad
Die absolute Anzahl der Radfahrenden belegt eindeutig – das Fahrrad ist für viele Menschen in Leinfelden-Echterdingen als Alternative zum Auto zur Erledigung der Alltagswege nicht mehr wegzudenken.
An den am stärksten frequentierten Strecken sind gemäß einer Hochrechnung zwischen 250.000 und 280.000 Fahrten pro Jahr mit dem Rad zu verzeichnen. Unter den innerörtlichen Strecken ist der Hainbuchenweg in Echterdingen mit 255.000 Radfahrenden im Jahr die am stärksten frequentierte Strecke. Aber auch der Weg von der Kolumbusstraße in Richtung S-Bahn-Station Echterdingen wird mit über 200.000 Radfahrenden gerne genutzt - und das, obwohl sich Fuß- und Radverkehr den Weg teilen müssen.
Die Spitzenreiter sind jedoch zwei Verbindungen in Richtung Stuttgart: Der Weg über die Autobahnbrücke beim Kleingartenverein Leinfelden in Richtung Dürrlewang (280.000 Radfahrende pro Jahr) sowie der Fuß- und Radweg von Unteraichen nach Möhringen (273.000 Radfahrende pro Jahr).
Die Verteilung der Radfahrenden über den Tag belegt: Stoßzeiten finden sich früh morgens in Richtung Stuttgart und am späten Nachmittag zurück nach Leinfelden-Echterdingen. Radfahren ist somit für viele Menschen nicht nur Freizeitvergnügen, sondern für zahlreiche beruflich Pendelnde das bevorzugte Verkehrsmittel.
Radfahrende bevorzugen eigene Wege
Eine weitere Erkenntnis, die uns nicht überrascht hat: Die Radfahrer*innen nutzen vor allem Wege mit keinem oder wenig Autoverkehr. Ein gutes Beispiel dafür sind wiederum die schon zuvor genannten Autobahnbrücken in Richtung Dürrlewang und Möhringen: Auf beiden Seiten der Autobahn gibt es autoarme Zulaufstrecken und das ist attraktiv für die Radfahrenden.
Routen, auf denen Radfahrende sich im Autoverkehr bewegen müssen, finden dagegen weniger Zuspruch. Bestes Beispiel: die Stuttgarter Straße in Leinfelden. Die Radhauptverbindung führt an Schulen und am Hallenbad (zum Zeitpunkt der Zählungen noch geöffnet) vorbei. Dennoch konnten an den zwei Messpunkten nur 66.000 bzw. 84.000 Radfahrenden pro Jahr verzeichnet werden. Im Vergleich zu den abseits vom Autoverkehr geführten Radstrecken ist dies eine sehr viel geringere Nutzung. Der Radschutzstreifen kann offensichtlich wenig dazu beitragen, die Attraktivität für Radfahrende zu steigern.
Hoch frequentierte Schwachstellen mit dringendem Anpassungsbedarf
An einigen Stellen entspricht die Infrastruktur nicht mehr den Erfordernissen, schon wenn man die heutige Zahl der Radfahrenden berücksichtigt. Es gibt mögliche Konflikte mit anderen Verkehrsteilnehmer*innen. Hier ein paar Beispiele:
- Auf dem Gehweg ("Fahrrad frei") an der Vaihinger Straße nahe der Autobahnbrücke (zwischen Oberaichen und Rohr) haben wir 80.000 Radfahrende pro Jahr ermittelt. Wie viele Radfahrende zusätzlich regelkonform die Fahrbahn benutzen und damit den Unmut von Autofahrer*innen auf sich ziehen, wissen wir nicht. Aber ganz sicher gibt es dort einen Bedarf für bessere Fahrradinfrastruktur.
- Auch auf dem Weg zwischen Kolumbusstraße und Bahnhof Echterdingen gibt es Konfliktpotenzial. Dort sind schon heute 210.000 Radfahrende pro Jahr unterwegs, gemeinsam mit vielen Fußgänger*innen.
- Am Bahnhof in Leinfelden haben wir 192.000 Radfahrende pro Jahr ermittelt, ebenfalls auf einem Weg, den sich Fußgänger*innen und Radfahrende teilen. Die Zahlen für die parallele Fahrbahn kennen wir nicht. Ein kurzes Stück hinter dem Zählerstandort, auf dem Bahnhofsvorplatz, finden sich die Radfahrenden in einem reinen Fußgängerbereich wieder. Wie groß ist wohl das Potenzial auf dieser Strecke, wenn dort schon unter den aktuellen Bedingungen so viele Leute fahren?
Unser vorläufiges Fazit
Unsere Erfahrungen mit den Radverkehrszählungen sind durchweg positiv. Wir haben unser Alltagswissen zum Radverkehr in LE durch die objektiven Zählungen weiterentwickeln können.
Aber wie sehen das die Fachleute in der Stadtverwaltung, mit denen wir die Zählerstandorte absprechen? Michaela Käfer, Abteilungsleiterin Verkehrsplanung und Mobilität, formuliert es so:
"Im Abstand von wenigen Wochen hat uns der ADFC im letzten Jahr neue Daten für die Verkehrsplanung geliefert. Für uns ist das eine wertvolle Datenquelle. Die Zahlen helfen uns dabei, das Verkehrsgeschehen in der Stadt zu verstehen und an den richtigen Stellen in Radverkehr zu investieren. Denn das ist das erklärte Ziel der Stadt. Wir schätzen die konstruktive und sachorientierte Herangehensweise der Aktiven vom ADFC und bedanken uns für ihre Arbeit."
Wir erleben die Zusammenarbeit mit der Stadtverwaltung ebenfalls als sachlich und wertschätzend. Natürlich geht es uns beim Ausbau der Infrastruktur nicht schnell genug voran. Um so wichtiger ist es, dass die Verkehrsplaner wissen, wo es klemmt. Wir hoffen, dass das Radverkehrsprogramm von LE endlich in Schwung kommt und in absehbarer Zeit wirksame Maßnahmen umgesetzt werden. Wir sind überzeugt, dass davon die ganze Stadtgesellschaft profitieren wird - auch die Bürger, die selbst gar nicht mit dem Rad unterwegs sind.